Ehrlichkeit zu mir selber und anderen

Das Thema des „ehrlichen Umgangs“ mit mir selber und anderen beschäftigt mich seit vielen Jahren. Wann es mit diesem Interesse anfing kann ich gar nicht mehr so genau sagen, mir wurde eines Tages  bewusst, wie wichtig es für mich ist mir selbst gegenüber ehrlich zu sein und das dies genau so wichtig ist, wenn ich dauerhaft in den Kontakt zu jemand anderen trete. Verstörend fand ich es allerdings dann, als ich heraus fand wie wenig ehrliche Beziehungen es überhaupt gibt.

Was brauche ich eigentlich?

Kann ich wirklich ehrlich sagen was ich brauche?

Wie wichtig ist Ehrlichkeit für meine Beziehungen?

Wann und wo darf ich mich zeigen wie ich wirklich bin?

Wenn ich dann über mein eigenes Handeln hinaus schaue, taucht unter anderem noch eine Frage auf. Hat dieses Thema Ehrlichkeit zu uns selbst und zu anderen auch etwas mit unserer Gesundheit zu tun?  Wir leben in einer Gesellschaft in der die Menschen eine immer bessere Krankenversorgung und jede Menge Medikamente haben und dennoch gibt es immer mehr Erkrankungen, psychischer und physischer Natur. Das Thema Psychosomatik ist in der Literatur sehr vielfältig untersucht und auch ich habe mich sehr viel damit beschäftigt. In der Gestalttherapie bedeutet der Begriff „Krankheit“ unter anderem das dauerhafte Auslagern von Anteilen die eigentlich zu mir gehören, was wiederum zu einem Ungleichgewicht führt. Das bedeutet, das der Mensch krank wird wenn er nicht mehr richtig weiß was ihm gut tut, was er braucht, was er möchte. Das hat für mich im übertragenen Sinne auch etwas mit dem Thema Ehrlichkeit zu tun. Wenn ich eines meiner Bedürfnisse „auslagere“ oder nicht weiß was mir gut tut, habe ich noch nicht in mich hinein gespürt um dies zu erfahren. Oder ich weiß es tief in mir doch, traue mich aber aus bestimmten Gründen gar nicht es auszusprechen. Bin ich dann wirklich ehrlich mit mir selber und kann ich dann ehrlich zu anderen sein? Welche Auswirkung hat dieses Verhalten dauerhaft auf meine Gesundheit?

Für mich persönlich ist es sehr wichtig ehrlich zu sein und untereinander keine Heimlichkeiten entstehen zu lassen. Wenn jemand lügt oder betrügt entsteht eine „Unstimmigkeit“ im Kontakt, diese Unstimmigkeit sorgt für ein komisches Bauchgefühl oder eine Irritation. Frauen beispielsweise, die jahrelang von ihren Männer betrogen wurden, wussten meist sehr genau dass dies so war und konnten in späteren Befragungen auch genau benennen wann es damals begonnen hatte. Aus Angst vor Verlust wurde dennoch geschwiegen.

Diese Bauchgefühl was uns spüren lässt, „da stimmt etwas nicht“ geht im Alltag leider oft unter. Belastet durch Stress, verzerrt durch Konditionierungen oder Widerständen Gefühle spüren zu wollen halten wir uns meist davon ab uns selber zu folgen. Hier ein kleines Beispiel dazu warum wir nicht richtig gelernt haben unserem Bauchgefühl zu trauen. In der Zeit, in der ich noch in der Integration gearbeitet habe, habe ich häufig ähnliche Situationen beobachten müssen, z.B. dass ein Kind sauer oder traurig war und schrie oder weinte. Die Eltern, die selber im Stress waren oder müde und kaputt, konnten das Verhalten meist nicht  aushalten oder fühlten sich unwohl beim Gedanken in diesem Moment von anderen Eltern gesehen zu werden. Somit drücken sie ihrem Kind eine Süßigkeit in die Hand und ihm sagten ihm es solle still sein oder aufhören „so ein Theater“ zu machen. Was bekommt das Kind damit suggeriert? (Wir alle sind übrigens dieses Kind, bloß heute etwas älter). „Ich darf nicht sauer sein“, „ich muss leise sein“, „meine Gefühle sind nicht erwünscht“… und so fort.

Das erlernte Verhalten „damals“ in der KiTa oder sonst wo führt uns zu Glaubenssätzen die uns prägen. Wir kennen sie alle, z.B. „das darf man doch nicht“, „wenn ich das jetzt sage, mag der mich nicht mehr“, „ich bin zu blöd dazu“, „Indianerherz kennt kein Schmerz“ etc…

Diese Erfahrungen sind ein kleines paar Schühchen in denen wir in eine Karriere starteten in der wir weniger und weniger ehrlich sein durften. „Das sagt man doch nicht“, „das sind aber schmutzige Gedanken“, „Damit machst Du die Mama aber traurig“, „Du musst immer freundliche sein“.. hunderte Sätze, erst zu Hause, dann in der Kita und Später in der Schule, „Du bist nicht gut genug“, „so darfst Du das aber nicht machen, sehen, sagen…“. Von Anfang an bekommen wir (zum Glück nicht alle von uns – dennoch viel zu viele) suggeriert das unsere Gefühle nicht erlaubt sind und das unsere Gedanken und Ideen nicht richtig sind und auch auch unsere Leistungen nicht ausreichend.

Meine Erfahrung ist, dass das die Gründe dafür sind das kaum noch ein Mensch seinem komischen Bauchgefühl oder überhaupt seinen Gefühlen traut und das, das unter anderem dazu führt, das er/sie nicht ehrlich mit sich und seinen Mitmenschen ist.

Unsere Gesellschaft und unsere Kultur in der wir mit unseren Glaubenssätzen nun aufgewachsen sind, sind im Grunde genommen ebenso aufgebaut das niemand wirklich ehrlich sagen kann was er denkt. Angefangen mit den eignen Bedürfnisse und Befindlichkeiten. Der Arbeitskollege, der uns heut den ganzen Tag genervt hat, uns nun fragt ob wir mit ihm einen Kaffee trinken wollen. Oder wir sind erschöpft, müde und möchten weinen als wir gefragt werden „wie es denn geht?“. Nein, wir sagen meist nicht was wir ehrlich denken, wir formulieren lieber schnell eine „Notlüge“. Das ist nur ein kleines Beispiel.

In den Medien und in der Politik ja ganz massiv weiter. Im Grunde interessier sich niemand für das was „wirklich“ mit den Menschen passiert. Es geht darum das jeder funktioniert und alle mittragen das die bestehende Situation weiter läuft. Sozialwesen, Schulsystem, Pharmaindustrie… Im Alltag und im Stress, haben individuelle Meinung und „Befindlichkeiten“ gar keinen Platz. Zudem hat der einzelne Mensch, bei dem es eine Situation gibt, in dem er z.B. besser für sich sorgen, einstehen oder mal „Stop“ sagen sollte, meist gar keine Energie mehr dazu. Er hat z.B. in einem Beruf der ihn auslaugt so viel „funktioniert“, das er einfach nur noch schlafen möchte. Dabei wäre es von so großer Wichtigkeit das gerade jemand, der erschöpft oder ausgebeutet ist, zu seinem eigenen Gefühl steht und auf die Frage: „wie geht es Dir?“ ehrlich antwortet.

In der Beziehung zu mir, in der ich nicht auf mein Bedürfnis, meine Wünsche, meine innere Stimme höre werde ich auf Dauer unglücklich. In Beziehungen in denen einer betrügt entstehen Irritationen. Beziehungen in dem Menschen nicht sagen wie sie sich wirklich fühlen entfernen sich Schritt für Schritt weiter voneinander.

Aus den genannten Gründen und unzähligen mehr ist es mir ein ehrliches Miteinander ein großes Anliegen in meiner Arbeit, im Umgang in meinen therapeutischen, sowie in privaten Beziehungen. Ich denke das Ehrlichkeit die Basis für Vertrauen zueinander ist. Es ist die Grundlage für ein echtes Miteinander das Kapazität für wirkliches Beziehungs-Wachstum hat. Dazu ist in erster Linie wichtig, das ich weiß wie es mir geht, was ich brauche und wie ich mich mit meinem gegenüber fühle und dann was wir beide benötigen um einen guten Kontakt zu haben.

Innehalten und in mich hinein spüren

Innehalten bevor ich antworte

Innehalten bevor ich etwas entscheide

Innehalten und fühlen was jetzt gerade wichtig ist

Starten in etwas mehr stimmigen Kontakt

Wenn Sie nun rausgefunden haben, was für Sie persönlich nun wirklich wahr ist herausgefunden und erreicht ist, stossen wir allerdings auf die nächste Herausforderung „wie geht das eigentlich richtig?“ Ich wünsche Ihnen viel Freude beim innehalten, hineinhorchen und auf dem Weg ins das Abenteuer des „ehrlichen Miteinander.“

Wie geht das eigentlich richtig ist dann das nächste Kapitel 🙂