Ein kleiner Irrsinn – lustige Gedanken einer ganz normalen Frau ?

Therapeut*innen sind übrigens ganz normale Menschen! Wie normal, werdet Sie jetzt lesen – also lassen Sie sich von niemanden einreden, dass Therapeut*innen nicht normal sind. Wobei ich scherzeshalber des Öfteren denke, dass ich definitiv nicht normal bin. 

Aber – was ist schon normal? 

Gestern ist mir aufgefallen, dass mir mittlerweile immer mal wieder langweilig ist. In einem Zustand mit zwei Jobs, Hobbys, Freunden, zwei Ausbildungen und dem vielen Reisen durch Deutschland ist mir Langeweile relativ unbekannt.

Diese Tage im Rückzug ziehen so dahin und ich bemerke von Tag zu Tag, dass ich mehr und mehr entspanne und ruhiger werde. Einfach mal in der Sonne sitzen und einen Kaffee trinken, ohne Handy, ohne Buch, ohne etwas anderes. „Herrlich!“ Für mich ist diese Zwangspause wirklich gut – ich hatte lange keinen richtigen Urlaub und auf Grund meiner Art zu leben, wirklich ehr wenig Ruhe – jetzt ist sie da, die lang ersehnte „Zeit!“

Noch bin ich nicht in der vollkommenen Entspannung angelangt. Es gibt einen Zustand der besonderen Entspannung, in dem ich gerne Bücher lese, stundenlang. Häufig „muss“ ich Dinge lesen – was dazu führt, dass ich schon mal gar keine Lust mehr habe. Dann kämpfe ich mich durch einen Text. Um aber in einen „LeseEntspannungsZustand“ zu kommen, muss ich erstmal mein ganzes System einmal runter fahren und dann ist’s soweit und ich sitze stundenlang über einem Buch und geniesse es. 

An diesem Punkt bin ich gerade noch nicht angekommen, ich habe hier und da natürlich noch Aufgaben, Rechnungen, Bankgeschäfte, OnlineSkypeTermine, Prozesse zur Entwicklung von GeldeinnahmeQuellen. Durch das existenzielle Thema, welches in Zeiten wie diesen für Freiberufler*innen entsteht und nebenher intensiv arbeitet, scheint es länger zu dauern bis ich im „LeseEntspannungsZustand“ landen kann. Daneben ist es allerdings wunderbar zu spüren wie die Langeweile sich trotzdem, in mein Leben, einschleicht.

So zum Bespiel: Normalweise bin ich ein sehr ordentlicher Mensch. Beim Kochen ist es beispielsweise so, dass irgendwann das Essen auf dem Tisch steht und die Küche wieder blitzblank ist. Während ich in meinem wunderbar trubeligen Leben, alles ganz schnell nebenbei mache, läuft es während Zeiten des Corona vollkommen anders. Mit dem Hintertürchen, dass ich ja sooo viel Zeit habe, bleiben plötzlich überall meine Sachen liegen, weil ich sie nicht, wie gewohnt sofort weg räume. Dann komme ich plötzlich fast überrascht in die Küche, sehe das Chaos und wundere mich darüber… dass ich nun dass fünfte Mal Sachen habe liegen lassen, da ich ja soooo viel Zeit habe. Gestern Abend habe ich mich dann mal selber dazu aufgefordert meine Häufchen überall weg zu räumen und jetzt gerade sieht es hier wieder so ordentlich aus wie sonst. Innen wie außen, eine Floskel aus dem Therapeutischen, kommt mir da in den Sinn ? Dort wo ich sonst innen und außen eher geordnet bin, kommt Leben mit ins Spiel. Spannend, dass so beobachten zu dürfen.

Ich schrieb ja bereits, dass Menschen in meinem Berufsstand ganz normale Wesen, mit vermutlich ganz normalen Themen sind. Und für die unter Ihnen, die es interessiert schreibe ich (in einem Anflug langer Weile) noch ein paar Dinge aus meinem jetzigen Alltag. Gestern habe ich z.B. das Vogelhäuschen repariert und vorgestern auf dem Hausdach, in der Sonne, Yoga gemacht. 

Gewisse Aufgaben bleiben im Alltag ja gerne mal liegen, weil die dazugehörigen Arbeitsschritte aufwendig oder vielschrittig sind.

(….Wortschöpfung aus Langeweile? Oder gibt es dieses Wort „vielschrittig“ wirklich, fragt mich mein Kopf – und da ich keine Lust zum googlen habe, schreibe ich einfach diesen Text in die Klammern – oh mein Gott „bin ich eigentlich verrückt geworden?“ fragt mich die Stimme wieder ?). 

Also „vielschrittig“ war auch der Vogelhausprozess (noch eine Wortschöpfung) Das Häuschen war mehrfach umgefallen und ich hatte es jedes Mal, mit vielen Nägeln, wieder zusammen gezimmert. Beim letzten „Umfall“ wurde deutlich, dass es so nicht noch einmal funktionieren wird. Bei einer erneuten Reparatur würde ich zu besseren Maßnahmen greifen müssen. Akkuschrauber (meiner hatte das ewige gesegnet) Schrauben, Holzleisten waren von Nöten. Es war also klar, dass ich vorher in den Baumarkt muss, also lag das Häuschen schon etwas länger herum, natürlich weil ich so wenig Zeit hatte. 

Ein Leben in Zeiten des Corona, bringt auch Zeit für den Baumarkt mit. Freitag war ich also endlich mit einer Freundin im Baumarkt…

(…darüber könnte ich auch lustige Geschichten, mit dem Titel „Baumarkt in Zeiten des Corona“, schreiben. Es war wirklich der schrägste BaumarktBesuch meines Lebens. Aber, das lasse ich aber jetzt besser – mein Gehirn scheint gerade alles was ich denke umgehend verschriftlichen zu wollen – auch ein ganz neuer Zustand)

Der Akkuschrauber hat mir gestern dann den Tag gerettet. Hätte ich versucht, mich dem Häuschen ohne ihn auch nur zu nähern wäre es sehr, sehr, sehr, sehr schwierig geworden und vermutlich hätte ich am Ende das Vogelhaus vom Vordach geworfen. 

Ich habe alles auseinander gebaut und doppelt und dreifach stabil wieder zusammengezimmert – was nicht so einfach war – denn das Häuschen war von der Produktion her schon ziemlich labbrig hergestellt. Ein paar Stunden später habe ich es dann in die Blumenkästen eingebuddelt und es beobachtet – Frau hat ja viel Zeit ? 

So saß ich dort mit meinem Kaffee und meiner Mitbewohnerin auf dem Dach und während sie mir lustige Geschichten von schrägen Prinzessinnen (von Walter Moers) vorlas, fiel mir dann plötzlich ein (kreative Ideen entstehen immer in Zeiten der Ruhe und niemals im Stress)  wie ich das Vogelhäuschen so stabilisieren kann, dass es nicht im nächsten Sturm erneut die Biege macht. Und nun, am nächsten Tag, hängt an vier Punkten des Häuschens, an einem Punkt zusammenlaufend ein Sandsack darunter und das Vogelhäuschen wackelt überhaupt nicht mehr! Es sieht also nun absolut bescheuert aus aber ich gehe einfach davon aus, das die Vögel trotzdem glücklich und statt werden.

Mhhh, ich sitze hier und schmunzele über mich…

(…während mein Hirn mir versucht mir lustige, böse und verrückte Dinge über mich einzutrichtern, darüber warum ich diesen Text besser löschen als veröffentlichen soll. Ich kann es doch nicht wagen, IHNEN allenernstes einen riesigen Absatz über meine VogelhausReparatur zu schreiben)

…und über den Text schmunzele ich auch. Und ich veröffentliche ihn trotzdem, damit Sie wissen, dass auch ich ein ganz normaler Mensch bin.

Corona bzw. Langeweile und bringt erstaunliche Dinge in mir hervor – bei Ihnen auch? Denn, ich schreibe hin und wieder schon gerne Texte, aber das ich nicht aufhören kann und will, ist auch sehr neu. Also, falls Sie bis hierher gekommen sind, „Hut ab“ schlimmer wird es nicht. 

Was ich aber auch noch schreiben wollte ist es, dass ich meine Arbeit sehr vermisse. Gestern habe ich bei Twitter einen wunderbaren Artikel einer Kollegin aus Berlin gelesen. Sie hat darüber geschrieben warum sie ihre Arbeit so vermisst. Beim Lesen ihres Textes habe ich Sehnsucht und Angst bekommen. Ich habe Angst davor bekommen, dass diese Corona Krise Monate dauern könnte und ich meine Arbeit, insbesondere auch die Körperarbeit, über einen so langen Zeitraum nicht ausüben kann. Ich liebe meine Arbeit und brauche sie, bei weitem nicht nur zum Geld verdienen. Der Kontakt zu Menschen, der sich in meiner Arbeit immer um Wahrhaftigkeit dreht – das Beobachten, das gemeinsame Erforschen vom Leben, meinem gegenüber dabei helfen aus den eigenen Mustern zu entfliehen. Einfach fantastisch!

Wussten Sie dass der Körper Stresshormone ausschüttet, wenn er alleine ist? Der Mensch ist von Natur aus kein Einzelgänger. Und wusstet Sie, dass Umarmungen, die mindestens 20 Sekunden lang andauern, antidepressiv wirken?

In jedem Falle bin ich ganz glücklich darüber, dass ich nicht alleine lebe. Und ich bin froh darüber, dass ich eine Hand voll Kontakte pflege kann. Ich verhalte mich brav und sicher, ohne Kontakt zu Menschen aus der Risikogruppe. Die Kontakte jedoch, die ich habe finden auch mit Umarmungen und ganz alltäglicher Nähe statt. Es ist wirklich wichtig für mich und auch für das Immunsystem, dass Angst nicht das Geschehen regiert.

Also, soviel erstmal ? sollte ich noch mehr Langeweile haben, melde ich mich wieder… Ist immerhin mein Blog!

Passen Sie bitte auf sich auf und lasse Sie es sich gut gehen.

Herzlichen Gruß

Tanja Hoyer

2 Kommentare zu Ein kleiner Irrsinn – lustige Gedanken einer ganz normalen Frau ?

  1. Ach, ein schöner Text…weil es so schön Wiederspiegelt wie du so bist…

    Das Thema „was ist Normal und was nicht“ beschäftigt die Menschen schon sehr lange…darauf gibt es auch keine Antworten…sondern mein Lieblingswort ist „Verhaltensorginell“….

    Diese verrückten Zeiten fordern einen heraus und das aushalten und den Alltag zu meistern ist schwer. Nicht zu wissen ob man seinen Job behält oder ob die Mitmenschen heile aus der ganzen Sache raus kommen. Freundschaften verändern sich, weil man anders denkt und fühlt…und das kann einen selbst auch verändern….

    Das unbeschwingte Leben was man hatte gibt es einfach nicht mehr….

    Und dann wird es spannend an was für kleinen Dingen man sich freuen kann…wie z.B. ein Telefonat und Worte die einen trösten…oder wenn die Sonne scheint oder man einen Kaffee genießt…

    Daher bleibe bloss wie du bist, und erforsche deine Langeweile und was du alles noch so entdeckst…

    Danke das es dich gibt!!!

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