Weitere, persönliche Gedanken zu Corona

Heute früh war ich bei einem Freund zum frühstücken „Sie wissen ja“, die eine Handvoll Leute zu denen ich Kontakt halte – ich nenne Sie „meine Wahlfamilie“. Es ist sehr fein, gewisse alltägliche Dinge weiter zu führen, die dann eben doch ganz anders sind.

Wir waren zu dritt und alle drei sehr glücklich über diese Zusammenkunft. Auch wenn wir uns die letzten Jahre sehr nah waren, in dieser Konstellation haben wir noch nie miteinander gefrühstückt.

Also eben doch nicht alltäglich, und auch die Gespräche waren nicht alltäglich. Zu meiner Wahlfamilie gehören mindestens 6 aber eigentlich sogar 8 Menschen. Es gibt aber drei unter uns, die sich im Grunde genommen komplett isolieren. Ja, wie gerade so viele in unserer Gesellschaft.

Momentan habe ich mehr oder weniger einen Konflikt mit zweien, ganz lieben Freunden*innen aus diesem Kreis. Beide haben eine ganz andere Haltung zu der Corona-Thematik als ich. Ehrlich gesagt haben wohl sehr viele eine gänzlich andere Haltung dazu. Letzten Endes darf das natürlich jede*r, wir sind eben alle sehr unterschiedlich.

Aber ich merke, dass ich größte Widerstände bekomme, wenn Massen sich über andere stellen und wenn Intuition und eigenes Wohlbefinden nicht mehr zählen. Meine Freundin Ella erzählte heute früh, dass ein Bekannter von ihr Polizist ist und ihr gestern in einem Telefonat erzählt hat, dass die hauptsächlichen Anrufer*innen in der Wache gerade Menschen sind, die ihre Nachbarn verpfeiffen – weil diese Besucher haben. Ich grusele mich sehr davor, dass so etwas gerade geschieht. Sascha Lobo beschreibt es, in seinem Artikel im Spiegel (Wider die Vernunftspanik), sehr gut.

Meine Mitbewohnerin und liebste Freundin Sandra ist, wenn ich es im wortlaut von Sascha Lobo nenne, eher „vernunftspanisch“ und ich bin bin das Gegenteil davon und zwar „reaktiv“. Das führte hier in den ersten Tagen natürlich zu vielen Gesprächen und zweimal sind wir beide um Haaresbreite an einem fetten Krach vorbei geschliddert. Also ist die CoronaZeit auch eine Zeit in der wir sehr genau austarieren müssen, wie wir die/den anderen so lassen können wie sie/er ist.

Mit meinem anderen lieben Freund gibt es den Konflikt, dass er mich gerne sehen würde, aber nur indem er darauf besteht, dass wir 1,5 Meter Abstand zueinander haben. Und das obwohl er und ich weder Kontakt zu einer RisikoGruppe haben, noch wirklich gefährdet sind. Nun gut, er darf das natürlich selber entscheiden – aber ich merke, dass ich in dieser Zeit – in der nichts mehr normal scheint – ein sehr großes Bedürfnis nach (wenigstens) etwas Normalität habe. Also erscheint es mir schräg, von jemandem dem ich sonst körperlich sehr nah bin, so weit entfernt zu sein und ich mag mich da nicht verstellen müssen. Wir haben mehrfach drüber gesprochen und finden momentan auch keinen Konsens – also telefonieren wir regelmäßig uns treffen uns nicht.

Spannend ist es, dass sich alle Gespräche permanent um Corona drehen, das darf man, das ist verboten, nein das geht nicht, oh Gott wie schlimm. Was ich momentan sehr kompliziert finde ist, dass es in dieser Massenhysterie keinen offenen Diskurs mehr gibt. Entweder man hält sich an genau das was unser Staat vorgibt oder man wird verpfiffen und/oder öffentlich gesteinigt. Ich habe bei Twitter sogar Tweets gelesen in denen Menschen quasi als „Mörder“ bezeichnet wurden, weil sie sich nicht an die Allgemeinen Regeln halten. Ich habe Bilder aus Stuttgart in der Medien gesehen, auf denen Polizisten gewaltsam über Obdachlose hergefallen sind, weil sie mit mehr als zwei Menschen zusammen standen.

Kaum jemand hinterfragt, ob es rechtens ist, solche Ausgangssperren zu verhängen. Eine ganze Nation spurt ohne zu widersprechen. Damit möchte ich jetzt nicht sagen, dass Sie alle rebellieren sollen oder das ich es für Schwachsinn halte, den Virus so zu einzudämmen. Ich möchte nur verdeutlichen, dass ich das was gerade passiert weder von der einen, noch von der anderen Seite für gut heisse.

Als Therapeutin bin ich hauptsächlich damit beschäftigt, dass ich Menschen darin unterstütze, erneut zu lernen wie man fühlt, sich selber zu entfalten und heraus zu finden, was gut und was schlecht für sie ganz persönlich ist. Glauben Sie mir, unglaublich viele Menschen haben nicht den blassesten Schimmer von ihren eigenen Gefühlen – sie funktionieren in einer Welt in der man genau das tun muss – funktionieren. Schwächen sind im Alltag immer noch ein sehr Lästiges.

Aber, was genau fühlen Sie denn? Angst, Angst vor dem Tod? Oder Wut, weil Sie sich eingesperrt fühlen? Was ist denn für Sie jetzt eigentlich wirklich wichtig um gesund zu bleiben? Angst löst im übrigen Stress aus, was wiederum alles andere als gut fürs Immunsystem ist.

Ich persönlich brauche ein wenig Normalität und Körperkontakt – Kontakt zu meinen Liebsten. (Wenn ich schon kaum noch so arbeiten kann, wie ich es normalerweise tue) Das werde ich mir nicht nehmen lassen, vor allem wenn ich gesund bleiben möchte. Und noch einmal, ich bewege mich dabei safe durch die Welt, wasche meine Hände, falle keinem wildfremden um den Hals, knutsche nicht mit der Kassiererin um die Ecke.

Heute früh haben wir darüber geredet, dass dies vielleicht eine Chance sein kann, Dinge zu verändern, anders aufeinander zu zu gehen und vor allem genau zu schauen, was wirklich zählt. Plötzlich können alle Homeoffice machen, keiner fliegt mehr durch die Gegend, wir müssen nicht shoppen und Geld ausgeben, wir besinnen uns darauf anderen Menschen wieder zu helfen, es sind viel weniger Autos auf den Straßen. Das Geld ist plötzlich an vielen Ecken nicht mehr so wichtig wie es sonst war.

Aber wer fragt denn eigentlich die älteren Menschen im Pflegeheim, ob sie lieber soziale Kontakte haben würden, anstatt isoliert zu werden um ein längeres Leben leben zu haben? Oder die Patienten im Krankenhaus, die alleine sterben müssen, weil ihre Angehörigen nicht mehr rein dürfen?

Noch was, im Jahr sterben 3,1 Millionen Kinder unter fünf Jahren weil sie verhungern. Das scheint niemanden zu interessieren. Vermutlich werde ich gleich auf meiner eignen Homepage gesteinigt, wenn ich jetzt noch schreibe, dass wir viel zu viele Menschen auf einem Planten sind, der langsam vor die Hunde geht. Und das Leben von Menschen im falschen Land unter den falschen Umständen leben zählt gar nichts, dort wo das Leben von den Menschen auf der anderen Seite der Welthalbkugel alles zählt. Ich halte das alles für ziemlich verzerrt. Wie steht es um die Relationen – ich möchte natürlich auch nicht, dass meine Liebsten sterben aber Sterben gehört zum Leben dazu.

Schon ein sehr komischer Ort dieses Erde und dieses Leben. Mhh, nun war dieses Thema viel ernster als gestern. Dennoch ist es das was mich bewegt, es ist auch das was mir Angst macht.

Und ich nehme es als Chance – eine Chance genau zu schauen ob und wie wir weiter machen können und sollten.

Was meinen Sie?

2 Kommentare zu Weitere, persönliche Gedanken zu Corona

  1. Ja Corona verändert die Welt und die Menschen die darauf Leben…

    Ich fühle mich in meine Kindheit zurückversetzt wie das Leben in der DDR war.
    Wir haben versucht Bananen zu bunkern und kein Klopapier, aber das Gefühl das viele Lebensmittel nicht mehr so da waren ist genau so gewesen. Man entwickelt eine Angst, weil man nicht mehr weis wen kann man noch vertrauen, oder wenn man was verbotendes tut kommt die Polizei. Früher wars die Stasie die bei einem Einmaschiert ist.
    Ich war 8 als ich aus der DDR raus bin, aber das Gefühl was ich als Kind erlebt habe ist Aktueller den je…

    Was für mich das schlimme ist, das die Medien den Markt beherschen und es gibt nichts anders mehr als nur noch das Thema. Jeder wiederspricht sich und keiner weis so recht mehr was stimmt oder was nicht…

    Man muss Angst haben das man seinen Job verliert, oder geliebte Menschen eine weile nicht mehr real zu sehen. Klar wir haben heut zu Tage die Technik, aber das Gefühl einer Umarmung oder gar eine Berührung fehlt einfach….

    Das ist das entscheidene was einen doch Krank macht, das einem die Berührungen fehlen. Was ich am Anfang nie gedacht habe, aber es verändert einen. Mich macht es z.B. Aggressiv und Depressiv. Auch wenn ich gegen Ankämpfe das nicht zuzulassen übermannt es ein…

    Daher weis ich nicht ob mehr Verbote und Ängste die bei den Menschen geschürt werden das richtige ist. Das vielleicht am Ende mehr Tote durch Selbstmorde oder gar Tötungsdelikte passieren, weil die Menschen explodieren…

    Ich weis das ich irgendwann sterben muss das ist unwiederbringlich, aber mein Leben ist kurz und ich möchte glücklich sterben. Nicht in Einsamkeit und Traurigkeit sondern mit einem Knall und sagen können danke für das schöne Leben…

    Ich wünsche mir einfach meine Freiheit wieder selbstbestimmt zu existieren und zu entscheiden was geht und was nicht…..

    Schon verrückt was einen für Gedanken kommen, wenn man so in die Enge getrieben wird…Daher hoffe ich das bald eine Kluge Entscheidung getroffen wird, und nicht die Menschen weiter in die Einsamkeit getrieben werden. Dies macht sie auch nicht gesund…

    • Hallo J.
      danke für Deinen Kommentar. Nein, ich möchte gar nicht wissen, wie es damals in der DDR war. Wir im Westen haben ja eine ganz andere Geschichte für die Zeit.
      Aber dieses Denunziantentum in der jetzigen Zeit – dort wo ein Nachbar einen anderen verpfeift – erschreckt mich schon und ich kann mir vorstellen dass Dich das an damals erinnert. Neben den Lebensmitteln und dem Engpässen mit dem Klopapier.
      Ich hoffe Du wirst die Zeit gut überstehen.
      Herzlichst Tanja

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